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1999-04-05
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5KB
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88 lines
<h1>CCC-92: Hochgeschwindigkeitsnetze</h1>
In dieser Diskussion (welche aus räumlichen Gründen im Chaos Cafe
stattfand), ging es zuerst einmal darum, auf laufende technische
Entwicklungen aufmerksam zu machen. Daraus wurde gegen Ende auch eine
lebhafte politische Diskussion.
<p>
Bis vor wenige Jahren war Datenkommunikation eine auf wenige Kilobit
(meistens 64) pro Sekunde beschränkte Sache, weil die Post einfach keine
schnelleren Dienste anbot. Nur so große Unternehmen wie IBM haben derzeit
große Standleitungsdatennetze und zahlen entsprechend dafür: Für nur 13
Leitungen mit jeweils 2 Megabit in Deutschland überweist IBM 28 Mio DM pro
Jahr an die Post. Auch das Wissenschaftsnetz (WIN) hat erst im Herbst 1992
Leitungen mit 2Mbit-Bandbreite zur Verfügung gestellt bekommen. Ein Uni, die
dafür einen Anschluß will, zahlt dann aber auch DM 310 K pro Jahr dafür,
das ist mehr, als eine Uni z.B. fuer Datenbankrecherchen zahlt.
<p>
Nun hat die Post ihre Tarife für 34 MBit- und 140 MBit-Standleitungen
veröffentlicht. Die Hintergründe sind komplex (s.u.). Kosten tun solche
Leitungen (nach dem Amtsblatt der Telekom Ende 1992) doch schon recht viel:
15 km mit 2 MBit kosten 8 KDM, 15 km mit 140 Mbit kosten 78 KDM, jeweils
monatlich. Dazu kommen bei 140 MBit dann noch ein paar kleinere Nebenkosten
mit ca. 10 KDM. Angeboten werden diese Dienste nur als Anschluß an einen der
wenigen (10-20) Netzknoten in der BRDigung. Für jeden weiteren Kilometer
von diesen Netzknoten zahlt mensch dazuhin 4700 DM im Monat.
<p>
Angeboten werden diese Hochgeschwindigkeitsdatennetze aber auf der Basis
der digitalen Fernmeldenetze, die auf der sogenannten SDH (Synchronous Data
Hierarchy) basieren. Das sind von der Post zwischen ihren wichtigesten
Fernvermittlungszentralen verlegte Glasfaserstrecken. Über zwei
Glasfaserkabel (Hin- und Rückkanal, Glasfaser ist unidirektional) gehen nach
der Spezifikation ca. 2.5 GBit. Und die gesamte Bandbreite, die für
Ferngespräche in der BRDigung benötigt wird, ist nicht viel höher. Diese
Verkabelungs- und Übertragungsstandards werden erst seit kurzem bei der
Telekom eingesetzt. Auf diesen Fernmeldenetzen wollen die Postgesellschaften
natürlich Datendienste im Multimegabitbereich anbieten. Die Diskussion geht
derzeit dann aber über die Protokolle, mit denen die Nutzer diese hohen
Geschwindigkeiten auch verwenden können. Da gibt es Vorschläge wie Frame
Relay, ATM (Asynchronous Transfer Mode, Paketvermittelndes Netz mit
Verbindungsauf- und abbau) und DQDB (Dual Queue Double Bus). Für die
Nutzer sind zwei Aspekte wichtig: Paketvermittelter Austausch, d.h. nur kurze
Datenmengen werden auf den Weg geschickt, mit sehr stark wechselnden
Bandbreitenanforderungen (sg. Jitter, ca. 1:100). Oder z.B. für einen steten
Strom von Bilddaten, er in Videokonferenzen vorkommt, sind synchrone
Bitraten notwendig. Die Postinfrastruktur muß beides bedienen können.
<p>
In der Forschung sind derzeit bereits Bandbreiten von mehreren GBits/sec in
Arbeit. Denn physikalisch ist mit Glasfaser eine praktisch beliebige Bandbreite
realisierbar.
<p>
Nun zu den organisatorischen und politischen Auswirkungen: Wie an den
Tarifen oben zu sehen ist, bekommt mensch also für den zehnfachen Preis
eine an der Bandbreite gemessene 70-fache Leistung. Dies fordert ja geradezu
heraus, daß sich mehrere kleine Nutzer, z.B. in einer Region, eine schnellere
gemeinsame Leitung, z.B. an einen Diensteanbieter wie EUNet, Xlink o.ä. zulegt,
als parallel mehrere dünne Leitungen zu bezahlen. Das erzwingt eine für
hiesige Mittelständler meist ungewohnte Kooperation. Es folgen endlose
Diskussionen über Sicherheit (wg. Netzwerkanschluß) und wer denn nun von
wem profitiert.
<p>
Andererseits werden diese Hochgeschwindigkeitsnetze als Infrastruktur nur in
wenigen städtischen Zentren wirklich kostengünstig angeboten werden können.
Das Gefälle zwischen städtischen und ländlichen Gebieten wird sich weiter
verstärken, weil Informations- und Kommunikationskosten in zukünftigen
Produktions- und Dienstleistungszentren die wichtigsten Kosten sein könnten.
<p>
Als weiterer Effekt können diejenigen, die diese hohen Bandbreiten als erste
finanzieren und weiterverkaufen werden, eine Art Verdrängung durchsetzen.
Wer hier nur kurze Zeit später einsteigt, kommt aus der Position des ewigen
Zweiten nicht mehr heraus. Dies wird dazu führen, daß vor allem die Firmen
mit einem langen Atem in der Finanzierung, also internationale
Telekommunikationsunternehmen, die Hauptnutznießer der technischen
Innovation sein werden. Ob dies nun bei einer Demokratie, die ja
hauptsächlich davon lebt, daß alle einen ähnlichen Informations- und
Kommunikation-Stand haben, funktioniert?
<p>
Autor: pi, Henne
<p>